Die Digitalisierung hat die Finanzdienstleistungsbranche grundlegend verändert. Dieser Wandel zwingt alteingesessene Institute dazu, ihre Konzepte weiterzuentwickeln, um besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen zu können. Er hat auch zu einer Reihe innovativer Start-ups geführt, die Kunden auf der ganzen Welt digitale Dienstleistungen anbieten. Laut einer Studie von UBS wird erwartet, dass der weltweite Umsatz von Finanztechnologiefirmen („Fintechs“) von 150 Mrd. USD im Jahr 2018 auf 500 Mrd. USD im Jahr 2030 steigen wird.
Die COVID-19-Pandemie hat diese Trends nur noch beschleunigt. Laut einer BCG-Studie stieg die Nutzung von Mobile Banking zwischen Februar und Juni 2020 um 34 Prozent, während das Bankgeschäft in Filialen um 12 Prozent zurückging. Kunden erwarten vermehrt, dass ihre Bank sie dort abholt, wo sie gerade sind – und das ist zunehmend auf einem Smartphone oder Laptop.
Auf dem WeWork Innovation Summit moderierte Nick Giraudeau, WeWorks Global Head of Financial Sales, ein Gespräch zwischen drei Führungskräften über die Innovationen in der Finanzbranche. Die Diskussionsteilnehmer sprachen über die Herausforderungen, mit denen sowohl Fintechs als auch alteingesessene Institutionen konfrontiert sind, und darüber, wie die Zukunft der Finanzinnovation aussehen wird.
Eine vollständige Aufzeichnung des Gesprächs findest du hier.
Technologien einsetzen
Bei NatWest konnte Andy Ellis, Head of Ventures bei NatWest, der Bank helfen, sich dank entsprechender Technologie schneller zu entwickeln. „Vor acht, neun Jahren hatten viele Banken Angst davor, Veränderungen vorzunehmen, weil es ihre Systeme zum Absturz bringen könnte“, sagte Ellis. „Und heute dreht sich bei uns alles um Continuous Code Deployment und moderne Systemarchitektur.“
Durch die Einführung digitaler Produkte für NatWest kombiniert er das Wissen des institutionellen Bankwesens mit der dynamischen Energie von Start-ups, um dem Unternehmen zu zeigen, dass ein „schnelles Handeln durchaus möglich ist“, sagte er.
Innovation hat entscheidend dazu beigetragen, die Eintrittsbarrieren für Startups wie Ualá in Argentinien zu senken, das mit rund 600 Mitarbeitern mehr als 3 Millionen Konten verwaltet – dank einer Technologie, die dem Team hilft, effizient zu skalieren. Pierpaolo Barbieri, Gründer und CEO von Ualá, erläuterte, dass die Demokratisierung der Technologie und der Aufstieg der Mobil-Apps entscheidend sind, um für Ualá wichtige Türen zu öffnen.
„Die Digitalisierung war [im Finanzsektor] lange Zeit nicht möglich“, sagte er. „Aber seit der App-Revolution können KYC- (Know Your Customer) und AML- (Anti-Geldwäsche) Eintrittsbarrieren durch bessere Technologien vor Ort überwunden werden.“
Banking für „Kontolose“
Die Digitalisierung schafft gleiche Bedingungen für Verbraucher auf der ganzen Welt, auch für Milliarden von Erwachsenen, die kein Bankkonto haben. Die Teilnehmer waren sich einig, dass diese Innovation dringend notwendig ist. „Wir müssen denjenigen, die kein Konto haben, Bankgeschäfte ermöglichen“, sagt Andy Maguire, Vorsitzender des globalen Bankwesens, Geschäftsführer und Senior Partner der Boston Consulting Group. „Wir müssen uns um benachteiligte Kunden kümmern. Wir müssen auch sie versorgen.“
Fintech-Unternehmen wie Ualá bringen die Vorteile des technologiegetriebenen Bankwesens zu benachteiligten globalen Bevölkerungsgruppen. In Barbieris Heimatland Argentinien hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung kein Bankkonto.
Barbieri sah eine Möglichkeit, den Menschen eine sichere Alternative für die Verwaltung ihres Geldes zur Verfügung zu stellen, indem er die hohe Anzahl der Smartphone-Besitzer in Argentinien nutzte. Ursprünglich bekamen die Nutzer eine kostenlose, vorgeladene Mastercard, die mit ihrem Ualá-Konto auf dem Handy verknüpft war und mit der sie Geld senden und empfangen sowie Bargeld an einem Netzwerk von Geldautomaten abheben konnten. Jetzt hat Ualá auch in die Bereiche Kreditvergabe, Sparen und digitale Karten expandiert und konnte so schnell seinen Kundenstamm in ganz Lateinamerika erweitern.
„Die große Chance der Digitalisierung besteht darin, die Kosten für die Bereitstellung bestimmter Finanzdienstleistungen in Gesellschaften, die keine Bankenpräsenz wie die [westlichen] Märkte haben, radikal zu senken“, sagte Barbieri. „Sobald man ein Konto und einen Zahlungsmechanismus hat, kann man andere Finanzdienstleistungen freischalten, die allgemein üblich sind – wie den Zugang zu Versicherungen, Sparkonten und Krediten zu einem vernünftigen Zinssatz.“
Nicht alles kann – oder sollte – digital werden
Obwohl Fortschritte in der Technologie es für Start-ups einfacher gemacht haben, zu skalieren und Konten mit kleinen Teams zu verwalten, waren sich alle drei Diskussionsteilnehmer einig, dass es im Bankgeschäft immer noch darum geht, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen – und Vertrauen lässt sich nun mal nur schwer programmieren.
„Technologie ist nicht alles“, so Maguire. „Wir haben es mit Menschen zu tun, die nicht unbedingt das neueste Mobiltelefon haben oder sich einfach keins leisten können. Es gibt eine Menge Dinge, die getan werden müssen, die nicht digital sind.“
Diese Ansicht teilte auch Barbieri, der glaubt, dass KI und maschinelles Lernen besser für einfache, zeitaufwändige Aufgaben eingesetzt werden können, um die Ressourcen einer Bank für komplexere, wichtige Probleme freizugeben. „Der zentrale Punkt der Automatisierung ist es, die Dinge zu automatisieren, die man automatisieren kann. Damit das, was man mit dem Kunden persönlich erledigen muss, auch wirklich von Mensch zu Mensch erfolgt“, so Barbieri, der hinzufügt, dass er bei der Bearbeitung von Kundenanfragen Schichtarbeit leistet.
Raum für Innovation schaffen
COVID-19 hat auch die Art und Weise verändert, wie Banken und Finanzdienstleister über das Büro denken. Viele alteingesessene Banken planen für die Zukunft ein hybrides Arbeitsmodell, wobei fast 70 Prozent eine Mischung aus Remote- und Büroarbeit für ihre Mitarbeiter vorsehen. Banken werden nach Arbeitsplatzlösungen suchen, die sich entsprechend ihrer Bedürfnisse anpassen lassen. Ualá, das Büros von WeWork nutzt, wuchs aufgrund der COVID-19-bedingten Nachfrage sprunghaft an – und damit auch sein Platzbedarf. „Große Teile einer Bank sehen einem WeWork nicht unähnlich“, sagt Ellis. „Wir entwickeln uns in diese flexible Richtung.“
Technologie hat die Eintrittsbarrieren gesenkt und es für Finanzunternehmen einfacher gemacht, ihre Dienstleistungen für Menschen auf der ganzen Welt bereit zu stellen. Sie hat dazu beigetragen, Milliarden von Menschen ohne Bankkonto in das moderne Finanzsystem einzubinden. Die Digitalisierung hat die Finanzbranche sowohl für alteingesessene Institute als auch für aufstrebende Fintech-Unternehmen verändert und bringt Finanzdienstleistungen zu den Menschen, die sie brauchen, egal wo sie sind.
Sieh dir hier eine vollständige Aufzeichnung des Gesprächs an.
T.M. Brown ist Journalist, Autor und Podcast-Host mit Sitz in New York.